Glaube und der unehrliche Trost der Hinterbliebenen

Glaube und der unehrliche Trost der Hinterbliebenen

Nach dem Tode haben die Lieben von oben aus dem Himmel ein Auge auf uns. Sie sind uns weiter nah und sie begleiten unser Leben aus dem Off. Dies ist der Trost, den der Glaube den Hinterbliebenen schenkt.

Aber macht das den Tod als Zustand nicht noch schlimmer für den Toten selbst? Der Ausspruch „Zum Glück muss der So-Und-So das nicht mehr mit ansehen/erleben.“ hat mich darauf gebracht, im Zusammenhang mit den niedergeschriebenen Ratschlägen des Condorcet an seine vierjährige Tochter kurz vor seinem Tode und der Bemerkung, dass sie seine Ratschläge in späteren Jahren wahrscheinlich eher nicht befolgte (in „Philosophische Meisterstücke“ von Ekkehard Martens).

Er muss also eben doch. Er muss mit ansehen, er muss „mit erleben“. Zumindest, wenn man der Religion und dem Leben nach dem Tod Glaube schenken mag.

Aber anders als im Reich der Lebenden, ist es ihm jetzt nicht mehr möglich, in irgendeiner Weise die Geschehnisse zu beeinflussen. Beispielsweise durch vorbildliche Taten oder Gespräche. Er ist völlig machtlos und muss mit anschauen, wie sich die Dinge entwickeln.

Ein Kontrollverlust – oder Verlust der Inspirationsfähigkeit und Einflussnahme – ganz besonderer Art.

– © Ben Bayer (22.6.2016)